Mal umgekehrt: Ein Whisky gereift im Bierfass

Mal umgekehrt: Ein Whisky gereift im Bierfass

Ich habe als ich von IPA Experiment von Glenfiddich gehört habe den Whisky nicht sofort bestellt. Das liegt nicht daran, dass ich keinen Whisky mag (ganz im Gegenteil), sondern eher daran, dass ich Glenfiddich nicht besonders mag. Trotzdem war die Neugier auf dieses Experiment irgendwann doch größer als meine Skepsis.

Ich mag Whisky sehr gerne. Auch aus der Region Speyside, wobei meine Lieblings-Whiskys doch aus eher aus Islay oder von Orkney kommen. So wie einige Craftbeer-Trinker etwas verächtlich auf “Supermarkt-Biere” schauen, schauen natürlich auch einige Whisky-Liebhaber mit ähnlicher Verachtung auf “Supermarkt-Whiskys”. Glenfiddich gehört (zumindest in den einfachen Varianten) zu diesen Supermarkt Whiskys, was aber nicht der Grund ist, warum ich normalerweise (inzwischen) keinen Glenfiddich mehr trinke. Das liegt eher daran, dass der Geschmack von Glenfiddich sehr “einfach” und wenig komplex ist, was ihn aber gleichzeit zu dem meistgetrunkenen Single Malt Whisky macht.

Exkurs: Die Speyside

Die Speyside (ein Teil der Highlands benannt nach dem Fluss "Spey") ist für schottische Whiskys quasi das, was Franken für das deutsche Bier ist. Hier gibt es die höchste Dichte an Whisky-Brennereien. Speyside Whiskys sind typischerweiser (wenn überhaupt) nur sehr schwach torfig/rauchig im Geschmack, stattdessen dominieren eher malzig-süße Aromen.

Andere bekannte Whisky-Regionen sind z.B. die Lowlands, Islay und natürlich (der Rest der) Highlands.

Über Glenfiddich

Glenfiddich war die erste schottische Brennerei, die den modernen “Single Malt” Whisky vermarktet hat. Und das sehr erfolgreich: Inzwischen ist die die verbreiteste Single Malt Marke weltweit. Pro Tag werden in der Brennerei 400t Malz verarbeitet (lt. Wikipedia). Außerdem ist das Unternehmen, als letzte schottische Whisky-Brennerei, noch im Besitz der Gründerfamilie Grant.

Der Geschmack von Glenfiddich ist dabei (für Whisky) sehr mild und zielt auf ein möglichst breites Publikum.

Exkurs: Single Grain, Single Malt, Single Cask?

Die Whisky-Welt ist voller Singles. Single XXX ist immer in Abgrenzung zu "Blended" Whiskys zu sehen. Bei Blended Whiskys wird aus verschiedenen Whiskys verschiedener Brennereien ein neuer Whisky "zusammengemischt". Meistens findet man solche "Blends" in den niedrigeren Preisregionen. Es gibt auch sehr hochwertige "Blends", einige sprechen dabei lieber z.B. von "Vatted" Whisky um das Wort "Blended" zu vermeiden. 

Single Grain vs. Single Malt
Single Grain und Single Malt sind vom Prinzip her sehr ähnlich. Single Grain heisst weder, dass nur eine Getreidesorte verwendet wurde noch das der Whisky nicht aus verschiedenen Fässern "zusammengemischt" wurde. Das "Single" heisst ersteinmal nur, dass nur Whisky aus einer einzelnen Brennerei gemischt wurde. Der Unterschied zwischen "Grain" und "Malt" ist einfach, dass beim Malt ausschließlich gemälztes Getreide eingesetzt wurde.

Single Cask
Erst beim Single Cask wurden nicht mehrere Fässer miteinander kombiniert. Ein Single Cask Whisky ist ein einzelner Brand aus einem einzelnen Fass, bei dem der Geschmack nicht über mischen "eingestellt" wurde. Hier kann man unterschiede der Fässer und der einzelnen Jahre herausschmecken.

der erste Eindruck & Nase

Zur Farbe des Whiskys lohnt es sich eigentlich nicht viel zu sagen, denn Glenfiddich hilft hier mit Zucker-Coleur nach. Die Farbe ist also “optimiert” und hat nichts mit der eigentlichen Farbe des Whiskys zu tun. Im Glas haftet der Whisky leicht ölig an.

In der Nase dominieren malzige Karamellaromen, ein bisschen Honig und Fruchtaromen. Die Fruchtaromen erinnern an (sehr) reife oder eingemachte Birnen. Hopfenaromen sind im Geruch nicht auszumachen.

Exkurs: Wie ich Whisky probiere

Eins vorab, diese Art Whisky zu probieren hat mir mal bei einer Whisky-Verkostung ein Bekannter gezeigt. Seitdem probiere ich Whisky immer nach diesem Schema, was aber nicht heisst, das es DIE richtige oder beste Art Whisky zu trinken.

  1. optischer Eindruck
    bei Whisky stellt sich, im Gegensatz zu Bier, die Frage nach trüb oder klar nicht wirklich. Ein Whisky ist klar. Spannender ist die Farbe. Die kommt, nicht etwa vom Malz sondern von der Lagerung im Fass. Ein dunklerer Farbton ist dabei eher positiv, weshalb viele "Supermarkt-Whiskys" (und auch Glenfiddich, meines Wissens nach) gerne mit Zuckercoleur bei der Farbe nachhelfen. Sobald man weiß, dass nachgeholfen wurde kann man diesen Schritt also fast schon überspringen
  2. nicht trinken sondern riechen
    hier unterscheidet sich das Whisky-Tasting nicht vom Bier Tasting. Bevor man einen Schluck nimmt schaut man ersteinmal welche Aromen man mit der Nase erkennt.
  3. die Unterlippe benetzen
    bevor ich einen Schluck nehme benetze ich meine Lippen mit ein wenig von dem Whisky und atme durch den Mund ein. Das ist wesentlich sanfter als der deutlich intensivere Geschmack, der im nächsten Schritt kommt und erlaubt etwas subtilere Aromen zu schmecken
  4. ein großer Schluck
    im nächsten Schritt nehme ich eine größeren Schluck (1cl und mehr) von den Whisky und behalte ihn erstmal einfach im Mund. Irgendwann fängt der Alkohol im Mund leicht an zu brennen, bevor es unangenehm wird schlucke ich den Whisky herunter. Jetzt kommt der Moment, der beim ersten Mal ein wahrer Augenöffner für mich war: Direkt nach dem Schlucken atme ich einem tief durch den Mund ein und direkt wieder aus. Was jetzt kommt ist ein (bei komplexen Whiskys) retronasales Feuerwerk.

im Mund

Wer eine (IPA) Geschmacksbombe, a la Double Dry Hopped Imperial IPA, erwartet hat wird bitter enttäuscht. Es ist in erster Linie ein typischer Glenfiddich. Die süßlichen Aromen dominieren, die (natürlich) vorhandenen Alkoholnoten sind gefällig eingebunden. Der Whisky ist gut trinkbar und ohne Ecken und Kanten.

Eine ganz leichte Hopfenbittere lässt sich erahnen, mit viel Vorstellungsvermögen auch leichte Kräuteraromen und eine (entfernte) Idee von Zitrus.

Nach dem Schlucken folgt nicht mehr viel. Der Whisky ist insgesamt ein typischer Glenfiddich, sehr auf Trinkbarkeit und Massenkompatibiltät optimiert und ohne stark herausstechende Geschmacksnoten. Insgesamt fürchte ich das Bier deutlich mehr vom Lagern in Whiskyfässern profitiert als umgekehrt.

Disclaimer

Das in diesem Artikel behandelte Produkt habe ich selbst gekauft/bezahlt, es wurde mir weder kostenlos zur Verfügung gestellt noch vergünstigt überlassen.

Hallo, ich bin Leif, ein leidenschaftlicher Biertrinker, Absolvent der Kurse Diplom Biersommelier und International Beer Sommelier. Als Bier-Enthusiast, Hobbybrauer, Whiskyliebhaber und Genussmensch teile ich in diesem Blog meine Leidenschaft für Biere, Braukunst und der Kombination von Bier und Whisky.
Besonders fasziniert mich die Vielfalt belgischer Biere, fassgelagerter Sorten und Sauerbiere. Entdecke mit mir die Welt des Bieres und lass dich von meinen Erfahrungen inspirieren.